Lebensgefühl Rockmusik HH aus EE
Ich bin der RockRentner im Harz
und berichte hier von meinen Wanderungen, zufälligen Begegnungen und Entdeckungen im Harz.
Weihnachten - wandern bei Hochwasser an der Ilse 26.12.2023 Es gab auch diesmal keine weiße Weihnacht. Der Schnee ist ausgeblieben. Dafür hat es viel geregnet und vor Weinachten auch gestürmt. Der Schnee auf den Hochlagen schmilzt, das Wasser ist talwärts unterwegs, die Pegel der Flüsse steigen, die Okertalsperre läuft seit Stunden über: Hochwasseralarm! Heute ist zweiter Feiertag, die Ente liegt schwer im Magen und draußen scheint die Sonne. Nach dem (späten) Frühstück fällt die Entscheidung, den Körper zu bewegen und zu entdecken, wie die Ilse die Wassermassen durch ihr Tal transportiert. Das gemächlich plätschernde Flüsschen soll sich verwandelt haben. Das möchte ich mir selbst anschauen und durch das Ilsetal wandern, solange es noch möglich ist. Der Parkplatz ist gut gefüllt. Da hatten andere wohl das gleiche Bedürfnis raus! Es sind vorwiegend Familien, so scheint es, die in kleinen Gruppen ins Tal wandern. Wir mittendrin und später hinterher. An der Brücke zum Waldhotel „Am Ilsenstein“ bleibe ich das erste Mal stehen. Die Ilse donnert mit viel Karacho und mit brodelnden Wassern unten durch. Ganz schön voll, denke ich, und werde neugierig, wie es weiter oben aussehen mag. Über das Tal ragt der Ilsestein in die Höhe. Auf der Spitze hebt sich das Gipfelkreuz vom graublau des Himmels ab. Da oben stand ich in diesem Sommer auch schon. Der schmale Wanderweg an der Ilse entlang ist aufgeweicht. Man meint, auf einem nassen Schwamm zu gehen. Überall rieseln Rinnsale von den Hängen. Der kleine Wasserfall, an dem man vorüber ging, ist zu einem eindrucksvollen Sprudelgefälle gewachsen und ergießt sich teilweise über den Weg, weil das Ablaufrohr zu klein geworden ist. Weiter oben donnert die Ilse schäumend um die Ecke und bildet an der Stelle mit dem Wasserfall ein eindrucksvolles Schauspiel. Die Wassermassen donnern, so dass man sein eigenes Wort kaum versteht. Solche Perspektiven werden sich von nun an immer wieder neu ergeben. Wir wandern dem Lauf des Wasser entgegen und unmerklich höher. Immer wieder plätschern kleine und größere Rinnsale von den nassen Hängen herunter und ergießen sich in die Ilse. Der Wanderweg ist vielerorts aufgeweicht, Wasser kommt uns auf dem Weg, versteckt unterm Laub, entgegen. Orkan Zoltan hat Bäume am Hang einfach umgehauen oder sie, Streichhölzern gleich, abgeknickt. Plötzlich entdeckt man überall die Macht der Natur oder gar direkt unter den Füßen als Laubteppich in Matsch. Keine hundert Meter vor mir verliert eine ältere Dame im weißen Wintermantel das Gleichgewicht. Sie kann sich gerade noch so am Hang abstützen. Vorsichtig und mit Hilfe zweier Begleiter wird sie aus dem glitschigen Dilemma befreit. Gerade noch mal gut gegangen! Das laute rauschende Donnern des Ilsewassers ständig im Ohr, rette auch ich mich trockenen Fußes über diese „Gefahrenzone“. Hinter einer der Brücken gleicht der Weg einem Wasserteppich aus Stein und Geröll. Wir tasten uns dezent hindurch, müssen aber an der nächsten Brücke kapitulieren. Das Wasser des Bergflusses hat den Weg zum Platz der Steintürme erobert und kommt uns als breite Wasserfläche entgegen. Hier scheint kein Durchkommen möglich zu sein. Wir wechseln über die Brücke die Seite und gehen dort weiter. Von nun an bestaunen wir aus erhöhter Perspektive den Lauf des Wassers, wie die einst friedliche Ilse nun brodelnd zum Ausgang des Tales drängt. Es ist schon ein faszinierendes Schauspiel, das die Natur dem Wanderer hier bietet. Wir wandern am Ilselauf entlang immer weiter ins Tal hinein und so auch immer höher. Bis ganz hoch, zum Brockenbett auf eintausend Meter, wo die Ilse ihren Ursprung hat, wollen wir heute nicht. Eigentlich sollte es doch nur ein Spaziergang aus Neugierde werden, doch an der Gabelung dieser Waldstrasse, zwischen dem Weg zum Kruzifix und dem an der Ilse entlang bis zur Bremer Hütte und weiter, entscheiden wir uns, noch bis zu den unteren Ilsefällen zu gehen, statt jetzt schon umzukehren. Von nun an gehen wir stramm aufwärts, müssen doch noch etwas schwitzen. Schnell ist die kleine Schlucht erreicht, in der die Ilse mit lautem Brausen nach unten rauscht, dem Tal entgegen, aus dem wir kamen. Die Brocken im Wasserlauf sind jetzt größer und das Rauschen dröhnt zu uns hinauf. Am Hang gegenüber hat der Orkan Massen an Todholz wie Streichhölzer umgelegt. Das liegt nun am Hang verstreut. Die schneelose graue Landschaft macht daraus ein trostloses Bild kühler Tristesse - unangenehm. Mich fröstelt und deshalb geht mein Blick wieder nach vorn. Dort kann man schon das Sprudeln des Wassers über die Felsbrocken der unteren Ilsefälle entdecken. Ein imposanter wilder Anblick, als wir endlich wieder einmal davor stehen und staunen. Wir haben eine Spielfilmlänge gebraucht, um diesen Ort zu erreichen. Eigentlich wollten wir uns doch nur ein wenig an der Ilse vom Entenbraten erholen. Ich fühle mich jetzt sauwohl, Zeit für ein Erinnerungsfoto. Ich bin gern im Harz unterwegs, egal bei welchem Wetter! Das Ilsedtal aber übt, zumindest auf mich, eine ganz besondere Magie aus. Schon mehrmals habe ich hier meine neue Leidenschaft, zu Wandern, ausgelebt, aber in der Weihnachtszeit, ohne Schnee und diese ungeheuren Wassermengen, die durch das Tal rauschen, das ist schon ziemlich einmalig und, im doppelten Sinne des Wortes, berauschend. Ein paar Minuten lang genießen wir dieses Rauschen, das die Stille hörbar macht. Der Anblick ist sehr schön, beinahe zauberhaft. Alles sieht harmlos und sehr harmonisch aus und dann stelle ich mir vor, wo diese Wassermassen in wenigen Stunden ankommen könnten. Die Faszination hat wohl zwei sehr unterschiedliche Seiten. Nach einem Erinnerungsfoto und ein paar Schnappschüssen dieser tosenden Naturgewalten, also des abwärts stürmenden Wassers, treten wir wieder den Rückweg an, bergab ins Tal und diesmal mit den reißenden Wassermassen. Nun wollen wir allerdings auch den Wegabschnitt betreten, den wir auf den Hinweg gemieden hatten. „Es könnte nass an den Füßen werden“, hatte uns einer der Wanderer verraten. Egal, das will ich genauer wissen. Also wechseln wir die Seite. Der Weg hält, was der Wanderer uns versprach. Der Boden ist weich und gesättigt vom Wasser, das aus dem Hang rinnt. Ich laufe wie auf Schmierseife und bin froh, meinen Wanderstab als Hilfsmittel bei mir zu haben. Immer eng am Ufer der Ilse entlang schleichen wir uns vorsichtig weiter. Bloß nicht ausrutschen und in der Ilse landen, ist das Motto. So gelangen wir zum Platz der Steintürme, der von umgestürzten Baumriesen erneut völlig zerstört vor uns liegt. Orkantief Zoltan hatte vor Tagen ganze Arbeit geleistet. Wir bauen jeder einen neuen Steinturm, kriechen mühsam über gefallene Bäume und stehen schlussendlich vor einer gigantischen Wasserlandschaft. Die Ilse hat sich hier breit gemacht. Wir müssen jetzt da hindurch, wo wir vor zwei Stunden noch zögerten. Es klappt trotzdem und sogar ohne Unfall. Nasse Füße bekomme ich erst viel weiter unten, als ich im nassen Laub nicht aufpasse. Da sind wir dem Waldhotel schon wieder nahe und haben eine dreistündige Weihnachtswanderung in den Beinen. Die Auszeit vom Schlemmern tat mir gut. Die Natur hat mich erinnert, dass es, außer Nachrichten und Spielfilmen im TV, noch anderes zu entdecken gibt. Das Schauspiel der brodelnden Wassermassen hat mich erneut ursprüngliche Magie entdecken lassen. So etwas sollte man selbst erlebt haben, damit der Respekt vor der Natur nicht erlischt und das Verständnis, sie schützen zu müssen, wieder erwacht. Im kommenden Jahr 2024 werde ich wieder hier sein. Neue Ideen, wohin es gehen soll, habe ich schon.